Bei unserem Prequel zu regelmäßigen Kryptopartys in Aachen hatten wir Besuch von einer Journalistin, die zum Thema eine Reportage macht. Natürlich kam im Laufe des Abends auch die Frage nach unserer Argumentation gegen “Wer nichts zu verbergen hat, der hat auch nichts zu befürchten”.
Einerseits ist es schlicht falsch, anzunehmen, “man hätte ja nichts zu verbergen”. Ausnahmslos jeder hat seine Geheimnisse; sei es die Krankengeschichte, sexuelle Neigungen, die Schummeleien bei der Steuererklärung, der Flirt am Arbeitsplatz, extreme politische Einstellungen, illegale Downloads… die Liste kann jeder fortsetzen, der mal kurz in sich geht. Und es ist gut, dass wir den Leuten nur bis vor die Stirn schauen können. Das Wissen um Schwächen und Verfehlungen macht erpressbar, was Max Mustermann Karriere und Sozialisation versauen kann und hochrangige Politiker gefügig macht.
Andererseits – und das ist in meinen Augen schwerwiegender – läuft der unbescholtene Bürger ständig Gefahr, durch unbedachte und aus dem Zusammenhang gerissene Äußerungen in den Fokus der Überwachungsbehörden zu geraten. Die Überwacher filtern vermutlich die Kommunikation der Bürger anhand von Schlagwortlisten. Dabei ist es nicht einmal wichtig, ob die vielfach im Netz kursierenden Aufzählungen korrekt sind oder nicht. Es müssen Listen mit Buzzwords existieren, denn nur damit ist automatisiertes Filtern sinnvoll. Zum einen weiß aber niemand, wie diese Listen entstehen und auf welcher Entscheidungsgrundlage die Behörden Worte und Formulierungen aufnehmen oder löschen. Zum anderen müssen die Überwacher zur Analyse eh die komplette Kommunikation mitschneiden und öffnen. Also auch Emails von Anwälten, Ärzten, Konzernchefs, Politikern…
Der Bürger gilt also prinzipiell als gefährlich und kann auf Grundlage eines automatisiert konstruierten Anfangsverdachts in Haft genommen werden, um anschließend seine Unschuld beweisen zu müssen.
Das Perfide an diesem System ist, dass der Bürger keine Möglichkeit hat, aus der Nummer wieder herauszukommen: Er lebt freizügig im Netz, ist damit ein offenes Buch für die Überwacher und kann sich darauf einstellen, dass er durch unachtsame Bemerkungen ins Visier der Fahnder gerät. Oder er verschlüsselt, also muss er etwas zu verbergen haben. Doch es geht noch aberwitziger:
- Er besitzt ein Mobiltelefon, das er aber die meiste Zeit ausgeschaltet lässt? Dann möchte er vermeiden, dass sein Bewegungsprofil aufgezeichnet werden kann. Verdächtig!
- Junggeselle ohne Pornos auf dem Rechner? Dann muss er entweder verschlüsseln oder einen zweiten Rechner besitzen, auf den die Behörden noch keinen Zugriff haben. Verdächtig!
- Er weist auf Veranstaltungen hin, bei denen umstrittene Politiker auftreten? Verdächtig!
- Er benutzt verschiedene Nicknames in unterschiedlichen Netzwerken? Verdächtig!
- Er weist öfter auf Prism-Break.org hin? Verdächtig! 😉
- Er veranstaltet Kryptopartys? Verdächtig!
- Er ist gar nicht in sozialen Netzwerken angemeldet? Verdächtig!
Auch diese Liste lässt sich unendlich fortsetzen. Der Paranoia der Überwachungsbehörden sind keine Grenzen gesetzt!
Ich kann nur anregen, sich auf kryptoparty.de über Veranstaltungen in der Nähe zu informieren und daran teilzunehmen. Falls eine Stadt fehlt: Die Piraten vor Ort helfen gerne weiter.
Wenn Du Journalist von Presse, Funk oder Fernsehen bist: Komm vorbei und lass Dich unterstützen bei der Einrichtung von Kryptographie-Software auf Deinem Rechner. Du gehörst zur 4. Gewalt in Deutschland und besitzt damit besondere Rechte, aber auch ebenso eine besondere Verantwortung. Was machst Du, wenn ein Whistleblower aus dem Bundesverkehrsministerium Dir die Geheimverträge zwischen dem Ministerium und dem TollCollect-Konsortium zukommen lassen möchte? Unverschlüsselte Emails, offener Zugriff auf Webseiten und ungesicherte Cloudspeicher auf US-Servern sind keine Lösung…
Freiheit stirbt mit Sicherheit!
BTW: Die nächsten Termine für Aachener Kryptopartys gebe ich noch bekannt. Jetzt werten wir erstmal das Prequel aus, warten die Reportage ab und dann sehen wir weiter. 😉
Bei unserem Prequel zu regelmäßigen Kryptopartys in Aachen hatten wir Besuch von einer Journalistin, die zum Thema eine Reportage macht. Natürlich kam im Laufe des Abends auch die Frage nach unserer Argumentation gegen “Wer nichts zu verbergen hat, der hat auch nichts zu befürchten”.
Einerseits ist es schlicht falsch, anzunehmen, “man hätte ja nichts zu verbergen”. Ausnahmslos jeder hat seine Geheimnisse; sei es die Krankengeschichte, sexuelle Neigungen, die Schummeleien bei der Steuererklärung, der Flirt am Arbeitsplatz, extreme politische Einstellungen, illegale Downloads… die Liste kann jeder fortsetzen, der mal kurz in sich geht. Und es ist gut, dass wir den Leuten nur bis vor die Stirn schauen können. Das Wissen um Schwächen und Verfehlungen macht erpressbar, was Max Mustermann Karriere und Sozialisation versauen kann und hochrangige Politiker gefügig macht.
Andererseits – und das ist in meinen Augen schwerwiegender – läuft der unbescholtene Bürger ständig Gefahr, durch unbedachte und aus dem Zusammenhang gerissene Äußerungen in den Fokus der Überwachungsbehörden zu geraten. Die Überwacher filtern vermutlich die Kommunikation der Bürger anhand von Schlagwortlisten. Dabei ist es nicht einmal wichtig, ob die vielfach im Netz kursierenden Aufzählungen korrekt sind oder nicht. Es müssen Listen mit Buzzwords existieren, denn nur damit ist automatisiertes Filtern sinnvoll. Zum einen weiß aber niemand, wie diese Listen entstehen und auf welcher Entscheidungsgrundlage die Behörden Worte und Formulierungen aufnehmen oder löschen. Zum anderen müssen die Überwacher zur Analyse eh die komplette Kommunikation mitschneiden und öffnen. Also auch Emails von Anwälten, Ärzten, Konzernchefs, Politikern…
Der Bürger gilt also prinzipiell als gefährlich und kann auf Grundlage eines automatisiert konstruierten Anfangsverdachts in Haft genommen werden, um anschließend seine Unschuld beweisen zu müssen.
Das Perfide an diesem System ist, dass der Bürger keine Möglichkeit hat, aus der Nummer wieder herauszukommen: Er lebt freizügig im Netz, ist damit ein offenes Buch für die Überwacher und kann sich darauf einstellen, dass er durch unachtsame Bemerkungen ins Visier der Fahnder gerät. Oder er verschlüsselt, also muss er etwas zu verbergen haben. Doch es geht noch aberwitziger:
Auch diese Liste lässt sich unendlich fortsetzen. Der Paranoia der Überwachungsbehörden sind keine Grenzen gesetzt!
Ich kann nur anregen, sich auf kryptoparty.de über Veranstaltungen in der Nähe zu informieren und daran teilzunehmen. Falls eine Stadt fehlt: Die Piraten vor Ort helfen gerne weiter.
Wenn Du Journalist von Presse, Funk oder Fernsehen bist: Komm vorbei und lass Dich unterstützen bei der Einrichtung von Kryptographie-Software auf Deinem Rechner. Du gehörst zur 4. Gewalt in Deutschland und besitzt damit besondere Rechte, aber auch ebenso eine besondere Verantwortung. Was machst Du, wenn ein Whistleblower aus dem Bundesverkehrsministerium Dir die Geheimverträge zwischen dem Ministerium und dem TollCollect-Konsortium zukommen lassen möchte? Unverschlüsselte Emails, offener Zugriff auf Webseiten und ungesicherte Cloudspeicher auf US-Servern sind keine Lösung…
Freiheit stirbt mit Sicherheit!
BTW: Die nächsten Termine für Aachener Kryptopartys gebe ich noch bekannt. Jetzt werten wir erstmal das Prequel aus, warten die Reportage ab und dann sehen wir weiter. 😉