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Schließung der Grundschule Barbarastraße

Da das Thema im letzten Aachener Schulausschuss durch eine öffentliche Stellungnahme der Schulamtsdirektorin an Brisanz gewonnen hat, kippe ich hier mal ungefragt meine Sicht der Dinge zur Grundschule Barbarastraße ins Netz (bildungspolitischer Sprecher der Aachener Piraten, wissenschon…).

Vorab für Eilige: Ich bin für den Erhalt der Schule Barbarastraße. Nicht um jeden Preis, aber bevor ich diese Schule aufgebe, will ich zumindest sehen, dass auch sinnvolle Konzepte nicht zum Ziel führen. Ein jährliches Anschreiben des Oberbürgermeisters an die Eltern im Viertel mit dem Tenor, wie toll die Schule doch ist und dass man doch bitte sein Kind dort einschulen möge, halte ich weder für sinnvoll noch zielführend.
Ja, ganz offensichtlich erleben wir eine Abstimmung mit den Füßen der Eltern. Das ist deren gutes Recht, seitdem die NRW-Landesregierung ab dem Schuljahr 2008/2009 die Schulbezirke für Grundschulen abgeschafft hat. Wenn also diese Schule vermeintlich einen so schlechten Leumund hat, muss es doch herauszufinden sein, woran das liegt, um entsprechend gegenzusteuern.

Rahmenbedingungen

Der mangelnde Zuspruch auf Grund der Anzahl der Aachener Kinder im einschulfähigen Alter kann kaum ein Grund sein, denn die Zahlen liegen seit Jahren schon immer im Bereich zwischen 1900 und 2000 Kindern:
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Dafür ist Anzahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in 2015 im Rahmen der allgemeinen Flüchtlingszahlen angestiegen. Die Kinder im Grundschulalter sind sofort in den Regelschulbetrieb integriert. Deshalb gibt es an Grundschulen keine Internationalen Förderklassen (IFK). Stand Dezember 2015 nahmen etwas mehr als 100 sogenannte “Seiteneinsteiger” am Grundschulunterricht teil. Einfach mal über den dicken Daumen gepeilt sind das 25 Kinder pro Jahrgangsstufe. Nicht viel, rechnet man das auf eine der 37 städtischen Grundschulen herunter. Doch es werden auf Grund der weltpolitischen Großwetterlage sicher kaum weniger in den folgenden Monaten und Jahren.
Das Durchschnittsalter der Aachener Bevölkerung lag im Jahr 2013 laut statistischem Jahrbuch bei 40,78 Jahren (Rothe Erde: 41,19). Die Schließung von Grundschulen scheint mir kaum das probate Mittel zu sein, einen Anreiz für die Verjüngung der Bevölkerung im Viertel zu geben.
Weitere statistische Daten zu Rothe Erde aus dem Jahr 2013:
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(Quelle: Statistisches Jahrbuch 2013)
Das sieht mir nicht danach aus, als ob dieser Stadtbezirk mal so eben auf eine Grundschule verzichten sollte.
Der aktuelle Bericht der Gemeinde-Prüfanstalt NRW (GPA NRW) spricht ab Seite 121 davon, auf Grund rückläufiger Grundschülerzahlen in Aachen und der damit verbundenen Verschlechterung der “Bruttogrundfläche je Grundschüler” die Reduzierung von Grundschulstandorten voranzutreiben, an oberster Stelle den Standort Barbarastraße… dazu muss man wissen, dass die GPA einem Grundschulkind 20,91m² Grundfläche zubilligt (insgesamt in Klassenraum und Turnhalle), was der Barbarastraße eine Kennzahl von 670m² je Klasse aufdrückt (Benchmark: 303m²). Einmal abgesehen von diesem groben Controller-Unfug, daraus einen “Benchmark” zu erstellen, zeigt sich hier in meinen Augen eventuell die “hidden agenda” des Schulamtes und der Grund für die bewusst öffentliche Bemerkung der Schulamtsdirektorin. Zur Sichtweise auf die Forderung der GPA unten mehr.

Lösungsansätze

Vieles spricht also in meinen Augen dafür, den Standort Barbarastraße zu erhalten. Und das wären einige meiner Ideen:

  • Zunächst würde ich in den umliegenden Kindertagesstätten und bei den in Frage kommenden Familien im Stadtbezirk eine Umfrage starten, ob die Barbaraschule zur Einschulung vorgesehen ist und wenn nicht, warum nicht und was man machen müsste/könnte, um das zu ändern. Bürgerbeteiligung, und so…
  • Seit März 2015 ermöglicht das 11. Schulrechtsänderungsgesetz die Umwandlung von Bekenntnisgrundschulen in Gemeinschaftsgrundschulen. Angesichts des hohen Ausländeranteils im Stadtbezirk könnte das anschließend schon ein Anreiz sein. Allerdings habe ich mir auch sagen lassen, dass viele Migranten gerade Wert auf eine Bekenntnisschule legen, weil sie deren Unterrichtsqualität schätzen.
  • Ablösung vom Standort Brühlstraße, Anschluss an den Schulverband Aachen Ost und somit direkten Kontakt zu weiterführenden Schulen (Hauptschule Aretzstraße, Hugo-Junkers-Realschule, Geschwister-Scholl-Gymnasium).
  • Teilnahme an der Initiative “Schule im Aufbruch“. Die 4. Aachener Gesamtschule beteiligt sich bereits daran, so dass auch hier eine fruchtbare Zusammenarbeit erfolgen könnte.
  • Anbindung an den bundesweiten Schulverbund “Blick über den Zaun” und damit Kontakt zur Laborschule Bielefeld. Ich hatte beim Bildungstag 2015 das Vergnügen, deren ehemalige Schulleiterin Frau Thurn kennenzulernen, die die Laborschule vorstellte. Ganz großartig. Die Grundschule Pannesheide in Herzogenrath ist bereits Mitgliedsschule.
  • Umgestaltung in eine Schwerpunktschule in den Bereichen Sprache, Natur/Umwelt, MINT, Medien, Kultur/Musik, Inklusion, Integration, Sport… die GGS Schönforst ist zum Beispiel eine “Kulturschule”.
  • Einbindung der Schule in die Vereinsarbeit im Viertel (Karneval, Sport, Integration etc.)
  • Das “Marketing” der Schule geht kaum über “katholischer Bekenntniszweig der GGS Brühlstraße” hinaus. Wie soll sich da ein Zugehörigkeitsgefühl entwickeln? Die Präsentation in der Öffentlichkeit als eigenständige Schule wäre sinnvoll. Eine eigene Webseite wäre ein Anfang.

Alles in allem Maßnahmen, die die Barbaraschule und ihr Pädagogik-Angebot für die Eltern und Kinder interessanter machen können. Für weitere Ideen und Hinweise bin ich dankbar.
Und jetzt zur GPA: Dass ich einen “Benchmark” für “Bruttogrundfläche je Grundschüler” für Humbug halte, habe ich oben seicht angedeutet. Nehmen wir aber mal spaßeshalber an, dass dieser Wert relevant wäre… dann gäbe es zwei Ansätze:

  1. Verkleinerung der Grundfläche
  2. Erhöhung der Schülerzahl

Die Grundfläche zu verkleinern und gleichzeitig die Kennzahlen der anderen Schulen zu verbessern (was mit Schließung der Barabaraschule und Umverteilung der Kinder auf die anderen Schulen geschieht) ist hübsch anstrengungslos. Die Auswirkungen auf das Viertel sind dann das Bier von Sozial-, Liegenschafts- und Wirtschaftsausschuss. Andere Köpfe, andere Töpfe.
Oder man überlegt sich, wie man die Schule und in diesem Zusammenhang auch das Viertel aufwertet. Das geht aber nicht mal eben zwischen Zwölf und Mittag und im Alleingang, sondern sollte im Rahmen der Quartiersentwicklung erfolgen (Verkehr, Wohnen, Arbeit, Umwelt). Rothe Erde ist geprägt von großflächigen Gewerbegebieten. Findet sich das irgendwo in einer flexiblen Kinderbetreuung wieder? Auch die Aachener Eltern, die zur Arbeit nach Rothe Erde fahren, genießen Freizügigkeit bei der Wahl der Schule…

Zusammenfassung

Sollte sich die Verwaltung für eine der oben vorgeschlagenen (oder andere zielführende) Maßnahmen erwärmen können, dann sollte sie das innerhalb der nächsten Wochen angehen und entsprechend bewerben. Ziel sollte sein, den Eltern vor dem Start des neuen Schuljahres 2016/2017 eine Perspektive für die kommenden vier Schuljahre zu geben, damit sie bereit sind, ihre Kinder doch noch an der Barbaraschule anzumelden.
Ich bin der Ansicht, dass Rothe Erde die Barbaraschule braucht und dass diese Schule aufgewertet gehört. Solange ich kein Konzept vorgelegt bekomme, das den Willen zeigt, diese Schule zu erhalten (oder Gründe für das Scheitern eines vernünftigen Konzeptes darlegt), solange werde ich im Schulausschuss gegen die Schließung der Barbaraschule stimmen.