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“Schulsozialarbeit” versus “BuT-Beratung”

Da sich die Begriffe “Schulsozialarbeit” und “Schulsozialarbeit im Rahmen BuT” (bzw. “Sozialarbeit an Schulen” oder “BuT-Beratung”) immer wieder und gerne vermischen, hier ein paar Hintergründe zur Meinungsfindung.

In 1990 beschloss der Rat der Stadt Aachen die Einrichtung von fünf Planstellen für Schulsozialarbeit. In den Folgejahren wurden daraus insgesamt 9,5 Planstellen (siehe dazu auch diese Vorlage vom Schulausschuss am 24.03.2015).
Diese Mitarbeiter wirken in einem umfangreichen und anspruchsvollen Aufgabengebiet, sowohl in der Einzelhilfe als auch in der Gruppenarbeit mit Schulkindern, Eltern und Lehrern. Und fraglos ist deren Arbeit im Zuge der steigenden sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen wichtig und wertzuschätzen.
Der eingearbeitete Runderlass des Schulministeriums NRW vom 17.12.2009 (PDF, 40KB, 8 Seiten) gibt auf den Seiten 2 und 3 näher darüber Auskunft, was die Schulsozialarbeit zu leisten hat und von wem.
In 2011 erhöhte die Bundesregierung im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets (BuT) die Mittel für Kommunen, damit diese damit zusätzliche Planstellen im Bereich Schulsozialarbeit im Rahmen BuT bzw. BuT-Beratung (auch: Sozialarbeit an Schulen) schaffen konnten. Diese Mitarbeiter sollten Eltern im Hartz-IV-Bezug unterstützen, im komplexen Antragsdschungel Mittel des BuT für ihre Kinder zu beantragen (Klassenfahrten, Mittagessen, Schulbedarf etc.).
Das Schulministerium NRW hat in seiner Arbeitshilfe zum Bildungs- und Teilhabepaket vom August 2013 (PDF, 2MB, 119 Seiten) klar geregelt, wofür die Mitarbeiter auf diesen Planstellen einzusetzen sind.
Dort steht auf Seite 67 des PDFs zu lesen:

  1. Die Schulsozialarbeit im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets ist Teil einer präventiven Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Sozialpolitik und verfolgt die Ziele der arbeitsmarktlichen und gesellschaftlichen Integration durch Bildung und des Abbaus der Folgen wirtschaftlicher Armut, insbesondere gegen Bildungsarmut und soziale Exklusion.
  2. […]
  3. […]
  4. Zu den Aufgaben gehört beispielsweise u.a. die Vermittlung von Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket, sei es durch Anregung von Anträgen bei Eltern, Kindern und Jugendlichen, sei es durch Gewinnung von mitwirkenden Vereinen und weiteren Partnern oder auch durch Einwerbung zusätzlicher Unterstützungsleistungen, beispielsweise für Folgekosten einer Vereinsmitgliedschaft.
  5. Des Weiteren ist es sicherzustellen, dass die Förderung der Schulsozialarbeit im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets zusätzliche Angebote finanzieren soll. Es ist zu verhindern, dass bestehende Angebote der Jugend- und Schulsozialarbeit aus Bundesmitteln refinanziert werden oder neue Doppelstrukturen entstehen.

Diese Bezuschussung des Bundes lief – wie angekündigt – Ende 2013 aus. Entsprechend waren alle Verträge für die Sozialarbeit im Rahmen BuT befristet. Mit Restmitteln können Land und Kommunen diese Stellen bis etwa Mitte 2015 weiterfinanzieren. Ende 2014 verabredeten das Land NRW sowie die kommunalen Spitzenverbände eine Weiterführung der Finanzierung für drei Jahre, wobei die Kommunen einen Teil der Aufwände selber finanzieren müssen.
Und ohne Frage ist auch die Arbeit dieser Menschen bemerkenswert und wichtig, dient sie doch dazu, durch Möglichkeiten der Teilhabe die Folgen von Armut und der daraus resultierenden gesellschaftlichen Ausgrenzung zu mindern.
Nun scheint es so zu sein, dass Kommunen bzw. Träger der Schulsozialarbeit eben genau das gemacht haben, was nicht vorgesehen war: Sie haben 2011 aus den zusätzlichen Mitteln des BuT zusätzliche Planstellen für qualifizierte Sozialarbeiter und Erzieher geschaffen, die die Aufgaben der Schulsozialarbeit übernehmen. Das kann man ihnen sogar nicht mal übel nehmen, da die Zuteilung von außerplanmäßigen Schulsozialarbeiter-Stellen nur auf Kosten entsprechender Lehrer-Planstellen erlaubt ist (siehe Runderlass oben, Seite 1). Quid pro quo.
Als die BuT-Förderung des Bundes auslief, brannte verständlicherweise die Bude…
Bei der angesprochenen Weiterführung der Sozialarbeit an Schulen handelt sich aber wieder nur um die Finanzierung jetzt genannter “BuT-Berater und -Beraterinnen”. Entsprechend dürfen Kommunen und Träger damit keine Planstellen für Schulsozialarbeiter unterfüttern, die das volle Sozialprogramm fahren.
Wer das dennoch macht, wird beim Auslaufen der BuT-Beraterförderung Ende 2017 die gleiche Misere wieder vor der Brust haben!
Fazit
Die Stadt finanziert heute (März 2015) für 38 Schulen 9,5 Planstellen für die Schulsozialarbeit und 18 Planstellen für die BuT-Beratung an Schulen, wobei nicht ersichtlich ist, ob deren jeweilige Aufgaben klar voneinander getrennt sind.
Keine Frage: Bedarf ist für beide Ausprägungen mehr als genug vorhanden. Und ich befürworte die Aufstockung der jeweiligen Planstellen nach Möglichkeit. Aber:
Ich bin für eine strikte Trennung der Planstellen für Schulsozialarbeit einerseits und BuT-Beratern und -Beraterinnen andererseits. Kaum jemandem ist damit gedient, wenn befristete BuT-Kräfte mit langwierigen, vertrauensintensiven Fällen betraut sind. Unabhängig von ihrer Kompetenz und Ausbildung haben BuT-Berater z. B. im Rahmen einer Konfliktberatung in Familien oder Gruppenarbeiten im Klassenverband nichts zu suchen! Das ist nicht ihre Rolle.
Die Finanzierung beider Bereiche der Schulsozialarbeit darf man meiner Meinung nach, wenn überhaupt, nur marginal miteinander verweben. Allem anderen verweigere ich meine Zustimmung.
Es sei denn, jemand überzeugt mich davon, dass das alles Humbug ist, was ich da oben geschrieben habe…
Nachtrag: Der Fördersteckbrief “Förderung der sozialen Arbeit an Schulen” (PDF, 1,75MB, 17 Seiten) des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales (MAIS) liest sich auf Seite 3 wie folgt:

Darüber hinaus können weitere Aufgaben übernommen werden, die den mit dem Landesprogramm verknüpften präventiven Ansatz unterstützen, z.B.:
– Mitwirkung bei der Entwicklung, Umsetzung und Evaluation von systemisch angelegten Förderkonzepten und Angeboten zur Vorbeugung, Vermeidung und Bewältigung von Lernschwierigkeiten, Lernstörungen und Verhaltensstörungen sowie zu besonderen Begabungen.
– sozialpädagogische Hilfen für Schülerinnen und Schüler, in der Regel in Form offener Freizeitangebote oder Projektarbeit.
– in Einzelfällen spezielle Hilfen für Kinder, Jugendliche und deren Familien in Kooperation mit dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe und mit anderen auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendhilfe tätigen Trägern.
– die Entfaltungsmöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen im schulischen und außerschulischen Kontext.
– Gemeinwesenarbeit für Kinder und Jugendliche und mit ihnen.
– Entwicklung spezieller Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Kompetenz von Schülerinnen und Schülern.

Liest sich so, also ob diese Quersubventionierung durchaus bekannt und gewollt ist. Und trotzdem werden wir in 2017 wieder darüber reden, wie wir die Schulsozialarbeit bei Auslaufen dieser NRW-Förderung finanzieren möchten.