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Kulturgut auf Abwegen

Die Westdeutsche Spielbanken GmbH & Co. KG (kurz: Westspiel), der Betreiber diverser Spielcasinos in Deutschland und Eigentum des Landes NRW, besitzt unter anderem zwei Warhol-Werke im geschätzten Wert von 130 Millionen Euro. Das weckt Begehrlichkeiten angesichts klammer Kassen und maroder Zockertempel. So entschloss man sich dieser Tage, den “Triple Elvis” und die “Four Marlons” dem Auktionshaus Christies zur Versteigerung anzutragen.
Abgesehen davon, dass ich diesem perversen Wertegefüge nichts abgewinnen kann, in dem massentaugliche Werke eines geradenach neulich verstorbenen Künstlers schamlos hohe Preise erzielen, stehe ich diesem Verkauf doch eher positiv gegenüber.
Seit 2009 lagert das Aachener Casino die beiden Werke vor aller Augen geschützt im Tresor. Die Bürger, deren Steuergelder den Kauf gegen Ende der 1970er Jahre finanzierten, hatten also in den letzten fünf Jahren gar keine Möglichkeit, sich daran zu erfreuen. Vermutlich wussten sogar nur die wenigsten, was da im Keller des Casinos an Werten schlummert. Insofern dürfte man die beiden Werke durchaus als Wertanlage und “Verfügungsmasse” ansehen. Warum sonst sollte man Kunst kaufen, die man nicht präsentieren möchte? Um sie der Nachwelt zu erhalten? Vermutlich wird der zukünftige Besitzer die Dinger nicht in Säure auflösen… und würde er sie ebenfalls wegschließen: Wo genau läge der Unterschied zu jetzt?
Es geht mir genau genommen nicht um diese beiden Werke. Warhols Werke waren meiner Meinung nach nicht seine “Kunst”, sondern seine Ideen und die sozialen, pawlowschen Mechanismen drumherum waren es.
Es geht mir eher darum, was mit dem Erlös geschehen soll. Und es geht mir darum, welche Besitztümer von Stadt und Land als nächstes zur Disposition stehen.

Erlös

Laut Zeitungsmeldungen möchte Westspiel den Erlös nutzen, um die Casinos zu sanieren. Alleine in Aachen würde es nach Expertenmeinungen etwa 25 Millionen Euro kosten, das Gebäude an der Monheimsallee zu sanieren. Bleiben also noch etwa 105 Millionen Euro, die in die Zockertempel in Bad Oeynhausen, Bremen, Bremerhaven, Dortmund-Hohensyburg, Duisburg und Erfurt fließen könnten. Und der Neubau eines Spielcasinos in Köln taucht auch immer mal wieder in der Diskussion auf.
Ich könnte mir sinnvollere Investitionen vorstellen, als Haushaltslöcher damit zu stopfen oder einem sterbenden Gewerbe zig Millionen Euro hinterherzuwerfen. Meiner Meinung nach sollte das Geld entweder in die kulturelle Bildung in NRW fließen, oder man stockt damit das Budget der Landesregierung für ihre sogenannten Förderkäufe auf: Sie erwirbt schon jahrzehntelang aktuelle Werke noch unbekannter Künstler aus NRW und stellt sie in der Reichsabtei in Kornelimünster aus.

Disposition

Wenn es eng wird, verscherbelt man auch gerne das Tafelsilber. Das beweisen die Verwaltungen mit dem Verkauf von Wohneigentum oder Ländereien und der Privatisierung von kommunalen Unternehmen und z. B. Krankenhäusern immer wieder. Kulturgüter schienen bisher heilig. Wenn aber Leidensfähigkeit und Duldungsstarre überreizt sind und man feststellen kann, dass es beim ersten Mal ja gar nicht so schlimm war, was mag dann als nächstes kommen? Wieviele Schätze schlummern noch in den Archiven der Museen, die man zu Geld machen kann? Welche kulturhistorisch unschätzbar wertvollen Werke würde man, und sei es nur versehentlich, auf den freien Markt werfen? Und ganz am Ende ist des Kaisers Krone dran; nur, um sie dann vielleicht anschließend im Rahmen eines geschickt ausgehandelten Mietvertrages wieder teuer ausstellen zu können… Hauptsache, der Haushalt ist erstmal ausgeglichen!

Weg damit

Die beiden Warhols? Man will oder kann sie offensichtlich nicht einträglich der Öffentlichkeit präsentieren. Schrödingers Warhols nutzen niemandem und dürfen entsprechend nur als Spekulationsobjekte angesehen werden. Angesichts der vielen Spekulationsverluste durch unfähige Börsenzocker in der öffentlichen Verwaltung wäre das tatsächlich mal ein gelungener Deal.
Wenn es Deppen gibt, die bereit sind, so unanständig viel Geld für Gegenwartskunst zu bezahlen, dann sollte man die beiden Werke entweder angemessen lukrativ ausstellen oder die Gelegenheit beim Schopfe packen und sie versilbern. Der kulturhistorische Schaden für NRW dabei wäre meiner unfachmännischen Meinung nach eher gering. Aber den Erlös sollte man dann auch zwingend zukunftssicher wieder in Kultur investieren. Und man sollte den Entscheidern gehörig auf die Finger schauen, damit die Grenze zwischen Kulturgut und Spekulationsobjekt zukünftig nicht zugunsten ausgeglichener Haushalte mehr und mehr aufweicht.
Und es wäre auch mal interessant, zu wissen, welche Kunstschätzchen das Land NRW noch so im Keller für schlechte Zeiten zurückhält.