Das Evangelische Erwachsenenbildungswerk im Kirchenkreis Aachen, attac Wurmtal und das Soziokulturelle Zentrum Klösterchen luden für den 15.05.2013 ins Klösterchen in Herzogenrath ein, um mit zwei Fachleuten über Stand und Zukunft der Printmedien zu diskutieren.
Das öffentliche Interesse an dieser Veranstaltung hielt sich leider stark in Grenzen, denn von den (lt. Moderator) anvisierten 40 Besuchern fanden sich gerade einmal etwa 15 Diskussionsteilnehmer ein. Und innerhalb dieser Korona duzte man sich vielfach, so dass man wohl eher von einer “internen Veranstaltung” sprechen kann. Schade, denn es war in mehrerlei Hinsicht interessant, was dort auf dem Podium zur Sprache kam.
Als Vertreter des Zeitungsverlags Aachen stellte zunächst Georg Müller-Sieczkarek (leitender Redakteur AZ/AN) Geschichte und Zusammenhänge des Verlags und seiner Produkte vor. Im Laufe des Abends gewährte er noch Einblicke in die Arbeitsweise von Redakteuren, die Arbeit am Newsdesk, das regionale, nationale und internationale Journalistennetzwerk sowie einige Pläne und Visionen des Verlags.
Sein Diskutant war der Aachener Politik- und Medienwissenschaftler Dr. Manfred Schmitz, der den Finger auf einige Wunden am Geschäftsmodell “Print” legen konnte, in Summe jedoch “etwas sozialromantisch verklärt” den Verlagen beistand.
Die wirkliche Kritik kam tatsächlich aus der Zuschauerrunde und drehte sich um Qualität, gefühlten Kampagnenjournalismus und das Verhalten der kleinen Verlagshäuser beim Leistungsschutzrecht.
Als Extrakt ein paar Schlagworte und Gedanken dazu:
Die Digitalisierung der Abläufe hat dazu geführt, dass ein Redakteur heute nicht mehr nur recherchieren und schreiben, sondern zusätzlich die Aufgaben eines Lektors, Korrektors, Bildredakteurs und Setzers übernehmen muss. Das, was er an seinem Ende des Redaktionssystems erstellt, geht quasi sofort “von der Redaktion zur Rotation”, ab in den Druck. Dass das auf Kosten von Recherche und Redaktion (a.k.a. “Qualität”) gehen kann, leuchtet ein.
Die Einführung eines Newsdesks beim Verlag hat die unterschiedlichen Ressorts an einen Tisch gebracht, um Synergien zu nutzen und den Redakteuren die Arbeit etwas zu erleichtern. Am Newsdesk entscheidet sich, welche Themen in die nächste Ausgabe kommen und welche eben nicht. Zu den Synergie-Effekten gehört übrigens auch, dass die historisch gewachsene Rivalität zwischen “Aachener Zeitung” und “Aachener Nachrichten” zum Großteil aufgehoben ist. Nur noch bei bestimmten Themen und Artikeln sieht der geneigte Leser unterschiedliche Meinungsbilder und Standpunkte. Und natürlich gilt hier wie bei allen Nachrichtenredaktionen: Wer entscheidet darüber, was den Bürger interessiert? Das Campusbahn-Desaster nachhalten (Standardisierte Bewertung, anyone?) oder doch eher die abben Brüste von Angelina Jolie?
Der Zeitungsverlag Aachen legt bei der Ausbildung seiner Redakteure großen Wert auf eine umfassende Medienausbildung. Deshalb arbeitet er unter anderem auch mit dem WDR und der RTL-Journalistenschule in Köln zusammen. Leider konnte ich auf den Seiten des Zeitungsverlags nichts darüber finden. Wer also nicht weiß, was er nach der Schule so anfangen möchte, aber Interesse daran hat, als Redakteur zu arbeiten: Einfach mal beim Zeitungsverlag anfragen.
Das Bild, das Herr Müller-Sieczkarek von der (Print-)Medienlandschaft vermittelte, schien mir arg verklärt (“Der Qualitätsjournalismus in Deutschland war noch nie so gut.”, “Zeitungen haben keine Akzeptanz- oder Qualitätskrise, sondern eine Anzeigenkrise.”). Meine RSS-Timeline u.a. mit Nachdenkseiten, Der blinde Fleck, German Foreign Policy, Lobby Control, BildBlog oder Scharf Links sagt mir deutlich etwas anderes: Für mich ist es ein Qualitätsproblem, wenn mich alternative und valide Onlinequellen über Missstände aufklären, während der Lokaljournalismus über Stadtteilspaziergänge mit dem OB berichtet, statt mich z. B. über den Verbleib der nicht ausgezahlten Gelder des Teilhabepakets zu informieren.
Eine Paywall beim Zeitungsverlag ist angedacht. Das kann allerdings nur dann klappen, wenn mit Einführung einer Bezahlschranke auch die Qualität merklich steigt. Für gleichbleibende “Hofberichterstattung” oder unbearbeitete Veröffentlichungen von fertigen Pressemeldungen ist eine Paywall genau keine Lösung.
Das Abomodell soll flexibler werden: Der Zeitungsverlag plant, tagesgenaue Abos bei Print und ePaper. Was mich daran stört: Der Leser kann weiterhin immer nur die gesamte Zeitung abonnieren. Die technischen Möglichkeiten würden es mittlerweile sogar gestatten, ein Abo auf Zeichen-Basis abzurechnen. Warum gruppiert der Verlag die Abos nicht nach Ressorts, Interessensgebieten oder verkauft die Artikel online für ein paar Cents? Den Leser interessiert “Alemannia”? Dann also nur Beiträge dazu ins Postfach. Abgerechnet pauschal oder nach Volumen. Dann gäbe es am Newsdesk auch nicht die Frage “Bringen oder nicht?”, sondern: Klar, ab damit ins Abo! Übrigens: Mit so einem Abomodell kann der Verlag noch viel detaillierter die Wünsche und Vorlieben seiner Leser auswerten und bedienen. Zugriffszahlen auf Online-Artikel sind da vergleichsweise unscharf.
Um beim Beispiel “Angelina Jolie” zu bleiben: Abgesehen davon, dass Jolies Brüste völlig belanglos sind, ist doch nicht die Frage, ob man die Meldung bringt oder nicht. Das ist eine Standardmeldung von dpa. Kurz gegenchecken, raus damit (Boulevard-Abo, wissenschon…). Ich könnte stattdessen erwarten, dass ein Redakteur recherchiert, wie es um das nicht unumstrittene flächendeckende Mammographie-Screening in NRW bestellt ist. Was läuft gut oder schlecht, wo sind die (Miss-)Erfolge, wer verdient daran, und hat sich die Sterbestatistik in NRW seit Einführung des Screenings in 2007 verbessert? Stimmige Zahlen, Meinungen von Experten statt von Hurratüten, aussagefähige Grafiken. Also auch investigativ die Probleme und Schattenseiten aufdecken, nicht nur Erfolgsmeldungen der Geldverdiener wiederkäuen. Das verstehe ich unter “Qualitätsjournalismus”.
Zum Leistungsschutzrecht äußerste sich Herr Müller-Sieczkarek sehr unentschlossen. Ich konnte aus seinen Ausführungen jetzt nicht heraushören, ob er persönlich das Leistungsschutzrecht gut oder schlecht findet. Fakt ist, dass der Zeitungsverlag Aachen auf der Liste der Befürworter des LSR steht. Interessant war seine Aussage, dass nur etwa 1-2% der Webseitenbesucher über Newsaggregatoren kommen.
Und er stellte die Idee eines “Leserbeirats” vor: Leser könnten sich beispielsweise für eine bestimmte Zeit aktiv in die Produktion der Tageszeitungen einbringen, ihre Erfahrungen und Meinungen rückmelden und so den Abstand zwischen Verlag und Lesern verringern. Doch mehr als solche Gedankenspiele kamen an diesem Abend nicht vor. Man darf gespannt sein, ob und was sich daraus ergibt.
Dr. Schmitz sprach zunächst die Vorzüge von Print- gegenüber Rundfunk-Medien an (Qualität, Selbstbestimmung des Lesers bei Ort und Zeit, Reputation) und zweifelte anschließend an der Validität und Seriosität von Bloggern. Printmedien seien seit je her die vertrauenswürdige vierte Staatsgewalt, und bei Bloggern wüsste man nicht, wer mit seinen Beiträgen was bezwecke. Das war in meinen Augen sein wesentlicher Lapsus, denn ansonsten waren seine Argumente zu “Kampagnenjournalismus” oder “Zensurschere im Kopf” interessant und aufschlussreich. Da sich die Diskussion jedoch stark auf Herrn Müller-Sieczkarek konzentrierte, blieben auch eher dessen Beiträge präsent.
Abschließend sei angemerkt, dass ich es schade finde, dass nur so wenige Teilnehmer den Weg ins Klösterchen gefunden haben. Etwas flächendeckendere Werbung hätte sicherlich geholfen. Wo war der Terminhinweis auf den Webseiten von AZ/AN? Oder im Nachgang eine Berichterstattung dortselbst?
Vielen Dank von meiner Seite für Organisation und Moderation dieses Abends (Herr Hammers) und an die Diskutanten Herrn Müller-Sieczkarek und Herrn Dr. Schmitz.
Das Evangelische Erwachsenenbildungswerk im Kirchenkreis Aachen, attac Wurmtal und das Soziokulturelle Zentrum Klösterchen luden für den 15.05.2013 ins Klösterchen in Herzogenrath ein, um mit zwei Fachleuten über Stand und Zukunft der Printmedien zu diskutieren.
Das öffentliche Interesse an dieser Veranstaltung hielt sich leider stark in Grenzen, denn von den (lt. Moderator) anvisierten 40 Besuchern fanden sich gerade einmal etwa 15 Diskussionsteilnehmer ein. Und innerhalb dieser Korona duzte man sich vielfach, so dass man wohl eher von einer “internen Veranstaltung” sprechen kann. Schade, denn es war in mehrerlei Hinsicht interessant, was dort auf dem Podium zur Sprache kam.
Als Vertreter des Zeitungsverlags Aachen stellte zunächst Georg Müller-Sieczkarek (leitender Redakteur AZ/AN) Geschichte und Zusammenhänge des Verlags und seiner Produkte vor. Im Laufe des Abends gewährte er noch Einblicke in die Arbeitsweise von Redakteuren, die Arbeit am Newsdesk, das regionale, nationale und internationale Journalistennetzwerk sowie einige Pläne und Visionen des Verlags.
Sein Diskutant war der Aachener Politik- und Medienwissenschaftler Dr. Manfred Schmitz, der den Finger auf einige Wunden am Geschäftsmodell “Print” legen konnte, in Summe jedoch “etwas sozialromantisch verklärt” den Verlagen beistand.
Die wirkliche Kritik kam tatsächlich aus der Zuschauerrunde und drehte sich um Qualität, gefühlten Kampagnenjournalismus und das Verhalten der kleinen Verlagshäuser beim Leistungsschutzrecht.
Als Extrakt ein paar Schlagworte und Gedanken dazu:
Die Digitalisierung der Abläufe hat dazu geführt, dass ein Redakteur heute nicht mehr nur recherchieren und schreiben, sondern zusätzlich die Aufgaben eines Lektors, Korrektors, Bildredakteurs und Setzers übernehmen muss. Das, was er an seinem Ende des Redaktionssystems erstellt, geht quasi sofort “von der Redaktion zur Rotation”, ab in den Druck. Dass das auf Kosten von Recherche und Redaktion (a.k.a. “Qualität”) gehen kann, leuchtet ein.
Die Einführung eines Newsdesks beim Verlag hat die unterschiedlichen Ressorts an einen Tisch gebracht, um Synergien zu nutzen und den Redakteuren die Arbeit etwas zu erleichtern. Am Newsdesk entscheidet sich, welche Themen in die nächste Ausgabe kommen und welche eben nicht. Zu den Synergie-Effekten gehört übrigens auch, dass die historisch gewachsene Rivalität zwischen “Aachener Zeitung” und “Aachener Nachrichten” zum Großteil aufgehoben ist. Nur noch bei bestimmten Themen und Artikeln sieht der geneigte Leser unterschiedliche Meinungsbilder und Standpunkte. Und natürlich gilt hier wie bei allen Nachrichtenredaktionen: Wer entscheidet darüber, was den Bürger interessiert? Das Campusbahn-Desaster nachhalten (Standardisierte Bewertung, anyone?) oder doch eher die abben Brüste von Angelina Jolie?
Der Zeitungsverlag Aachen legt bei der Ausbildung seiner Redakteure großen Wert auf eine umfassende Medienausbildung. Deshalb arbeitet er unter anderem auch mit dem WDR und der RTL-Journalistenschule in Köln zusammen. Leider konnte ich auf den Seiten des Zeitungsverlags nichts darüber finden. Wer also nicht weiß, was er nach der Schule so anfangen möchte, aber Interesse daran hat, als Redakteur zu arbeiten: Einfach mal beim Zeitungsverlag anfragen.
Das Bild, das Herr Müller-Sieczkarek von der (Print-)Medienlandschaft vermittelte, schien mir arg verklärt (“Der Qualitätsjournalismus in Deutschland war noch nie so gut.”, “Zeitungen haben keine Akzeptanz- oder Qualitätskrise, sondern eine Anzeigenkrise.”). Meine RSS-Timeline u.a. mit Nachdenkseiten, Der blinde Fleck, German Foreign Policy, Lobby Control, BildBlog oder Scharf Links sagt mir deutlich etwas anderes: Für mich ist es ein Qualitätsproblem, wenn mich alternative und valide Onlinequellen über Missstände aufklären, während der Lokaljournalismus über Stadtteilspaziergänge mit dem OB berichtet, statt mich z. B. über den Verbleib der nicht ausgezahlten Gelder des Teilhabepakets zu informieren.
Eine Paywall beim Zeitungsverlag ist angedacht. Das kann allerdings nur dann klappen, wenn mit Einführung einer Bezahlschranke auch die Qualität merklich steigt. Für gleichbleibende “Hofberichterstattung” oder unbearbeitete Veröffentlichungen von fertigen Pressemeldungen ist eine Paywall genau keine Lösung.
Das Abomodell soll flexibler werden: Der Zeitungsverlag plant, tagesgenaue Abos bei Print und ePaper. Was mich daran stört: Der Leser kann weiterhin immer nur die gesamte Zeitung abonnieren. Die technischen Möglichkeiten würden es mittlerweile sogar gestatten, ein Abo auf Zeichen-Basis abzurechnen. Warum gruppiert der Verlag die Abos nicht nach Ressorts, Interessensgebieten oder verkauft die Artikel online für ein paar Cents? Den Leser interessiert “Alemannia”? Dann also nur Beiträge dazu ins Postfach. Abgerechnet pauschal oder nach Volumen. Dann gäbe es am Newsdesk auch nicht die Frage “Bringen oder nicht?”, sondern: Klar, ab damit ins Abo! Übrigens: Mit so einem Abomodell kann der Verlag noch viel detaillierter die Wünsche und Vorlieben seiner Leser auswerten und bedienen. Zugriffszahlen auf Online-Artikel sind da vergleichsweise unscharf.
Um beim Beispiel “Angelina Jolie” zu bleiben: Abgesehen davon, dass Jolies Brüste völlig belanglos sind, ist doch nicht die Frage, ob man die Meldung bringt oder nicht. Das ist eine Standardmeldung von dpa. Kurz gegenchecken, raus damit (Boulevard-Abo, wissenschon…). Ich könnte stattdessen erwarten, dass ein Redakteur recherchiert, wie es um das nicht unumstrittene flächendeckende Mammographie-Screening in NRW bestellt ist. Was läuft gut oder schlecht, wo sind die (Miss-)Erfolge, wer verdient daran, und hat sich die Sterbestatistik in NRW seit Einführung des Screenings in 2007 verbessert? Stimmige Zahlen, Meinungen von Experten statt von Hurratüten, aussagefähige Grafiken. Also auch investigativ die Probleme und Schattenseiten aufdecken, nicht nur Erfolgsmeldungen der Geldverdiener wiederkäuen. Das verstehe ich unter “Qualitätsjournalismus”.
Zum Leistungsschutzrecht äußerste sich Herr Müller-Sieczkarek sehr unentschlossen. Ich konnte aus seinen Ausführungen jetzt nicht heraushören, ob er persönlich das Leistungsschutzrecht gut oder schlecht findet. Fakt ist, dass der Zeitungsverlag Aachen auf der Liste der Befürworter des LSR steht. Interessant war seine Aussage, dass nur etwa 1-2% der Webseitenbesucher über Newsaggregatoren kommen.
Und er stellte die Idee eines “Leserbeirats” vor: Leser könnten sich beispielsweise für eine bestimmte Zeit aktiv in die Produktion der Tageszeitungen einbringen, ihre Erfahrungen und Meinungen rückmelden und so den Abstand zwischen Verlag und Lesern verringern. Doch mehr als solche Gedankenspiele kamen an diesem Abend nicht vor. Man darf gespannt sein, ob und was sich daraus ergibt.
Dr. Schmitz sprach zunächst die Vorzüge von Print- gegenüber Rundfunk-Medien an (Qualität, Selbstbestimmung des Lesers bei Ort und Zeit, Reputation) und zweifelte anschließend an der Validität und Seriosität von Bloggern. Printmedien seien seit je her die vertrauenswürdige vierte Staatsgewalt, und bei Bloggern wüsste man nicht, wer mit seinen Beiträgen was bezwecke. Das war in meinen Augen sein wesentlicher Lapsus, denn ansonsten waren seine Argumente zu “Kampagnenjournalismus” oder “Zensurschere im Kopf” interessant und aufschlussreich. Da sich die Diskussion jedoch stark auf Herrn Müller-Sieczkarek konzentrierte, blieben auch eher dessen Beiträge präsent.
Abschließend sei angemerkt, dass ich es schade finde, dass nur so wenige Teilnehmer den Weg ins Klösterchen gefunden haben. Etwas flächendeckendere Werbung hätte sicherlich geholfen. Wo war der Terminhinweis auf den Webseiten von AZ/AN? Oder im Nachgang eine Berichterstattung dortselbst?
Vielen Dank von meiner Seite für Organisation und Moderation dieses Abends (Herr Hammers) und an die Diskutanten Herrn Müller-Sieczkarek und Herrn Dr. Schmitz.