Sollen Kinder bereits in der Grundschule das Programmieren lernen, wie es Gesche Joost, die “Internetbotschafterin” der Bundesregierung, jüngst in einem Zeitungsinterview angesprochen hat, um den Anschluss an die “Digitale Bildung” in der Welt nicht zu verlieren?
Die Sache mit dem Programmieren ist zunächst einmal nur ein Aspekt ihres Interviews. Gleichwohl verschlagwortet sich das natürlich hervorragend für eine kontroverse Headline (klappt hier ja auch 😉 ).
Frau Joost spricht unter anderem von “digitalem Recherchieren, Programmieren und Mediengestaltung” und fächert damit das Kompetenzspektrum recht weit auf.
Soll man Kinder im Grundschulalter (und womöglich schon vorher) ihrem Alter entsprechend an den Umgang mit neuen Medien heranführen?
Unbedingt, wenn es spielerisch und ohne leistungsgesellschaftlichen Zwang erfolgt! Das Land NRW hat hierzu bereits den “Medienpass NRW” ausgetüftelt, der den Kompetenzrahmen über alle Altersstufen von Elementar- über Primar- bis zur Sekundarstufe I absteckt. Darin finden sich dann übrigens auch die Themen “Recherchieren” und “Mediengestaltung”.
Die Forderung, schon in der Grundschule “programmieren zu lernen”, wie es derzeit durch viele Gazetten geistert, und den straffen IT-Bezug dieser Forderung halte ich aus mehreren Gründen für Humbug.
Erstens könnte man dann auch fordern, Latein und Gebärdensprache müssten ab der ersten Klasse Pflicht sein. Mit Latein würde sich das grundlegende Konzept einer Sprache (Grammatik, Konjugationen, Deklinationen etc.) besser erschließen, und die Gebärdensprache würde als mehrkanalige, rein visuelle Sprache mit lockerer Grammatik die Sprachkompetenz wesentlich erweitern; von gelebter Inklusion einmal ganz zu schweigen. Das fordert aber merkwürdigerweise niemand lautstark, obwohl z. B. Hochschulprofessoren den zunehmenden Verfall der Sprachkompetenz bei Studienanfängern beklagen.
Zweitens gibt es eine fast unüberschaubare Anzahl von Programmiersprachen (Wikipedia listet bereits eine Unmenge auf, wobei noch etliche spezialisierte Programmiersprachen aus dem Forschungsumfeld – wie z. B. Paragon – fehlen). Welche Sprache soll es denn sein? LOGO für Kids? Irgendeiner der unzähligen Basic-Dialekte? Das abstrakte Brainfuck? Und dann eher traditionell und prozedural wie PASCAL oder mehr modern und objektorientiert wie C#… von notwendigen Randbedingungen wie Code-Organisation, Bedienbarkeit und Versionierung ganz zu schweigen. Und wenn ein Kind nur kurz für selbstprogrammierte Muster zu begeistern ist, aber dann die Lust daran verliert, soll es trotzdem weiter trockenen Programmcode eintippen, weil es ja nicht “den Anschluss an die digitale Elite verlieren” soll?
Es kann also gar nicht darum gehen, das “Programmieren” zu lernen. Vielmehr geht es darum, ein Verständnis für logische Abläufe und Zusammenhänge zu entwickeln. Und das ist nicht nur im Bereich der MINT-Fächer wichtig, sondern umfassend für alle Schulfächer, z. B. Akkorde und Harmonien in der Musik, Goldener Schnitt und Collagen in der Kunst, Mannschaftsaufstellungen und Spielzüge im Sport. Darüber hinaus hilft es im täglichen Leben, wie z. B. beim Umgang mit Geld oder beim Verständnis dafür, dass bei Hackfleisch für 1,50€ je Kilo jemand jemanden über den Tisch zieht.
In der Sesamstraße gab es vor 40 Jahren schon “die Was-Passiert-Dann-Maschine“, um Ursache und Wirkung in einen kausalen Zusammenhang zu stellen. Frau Joost möchte mir jetzt nicht erzählen, dass wir heute pädagogisch nicht viel weiter sind als in den 1970ern, oder?
Drittens muss nicht jedes Kind zu programmieren lernen; genausowenig, wie jedes Kind französisch oder Handarbeiten lernen muss. Kita und Grundschule können neben der Vermittlung von grundsätzlichen Inhalten wie z. B. Schreiben, Lesen, Rechnen, Selbstsicherheit, Wertmaßstäbe und soziale Kompetenz ein spielerisches Angebot machen und schauen, ob die Kiddies darauf anspringen; also z. B. eine Was-Passiert-Dann-Maschine bauen (die heißen heute übrigens Rube-Goldberg-Maschinen und dürften auf Schulfesten der Burner sein), Hörspiele oder Videos erstellen (geht mit Open-Source für lau), oder man nimmt mal etwas Geld in die Hand und macht mit einem MakeyMakey die Welt zu einem Spielfeld…
Ans “Programmieren” kann man anschließend die Kinder führen, die sich über die schnelle Ablenkung hinaus für diese Technologien begeistern. Nur muss man ihnen dafür überhaupt erst einmal die Möglichkeiten bieten.
Ich stehe Schulen und Kindergärten gerne zur Seite, um Möglichkeiten und Beispiele für den Umgang mit neuen Medien durchzusprechen und auszuprobieren. Auch mit wenig Geld ist schon viel möglich.
Sollen Kinder bereits in der Grundschule das Programmieren lernen, wie es Gesche Joost, die “Internetbotschafterin” der Bundesregierung, jüngst in einem Zeitungsinterview angesprochen hat, um den Anschluss an die “Digitale Bildung” in der Welt nicht zu verlieren?
Die Sache mit dem Programmieren ist zunächst einmal nur ein Aspekt ihres Interviews. Gleichwohl verschlagwortet sich das natürlich hervorragend für eine kontroverse Headline (klappt hier ja auch 😉 ).
Frau Joost spricht unter anderem von “digitalem Recherchieren, Programmieren und Mediengestaltung” und fächert damit das Kompetenzspektrum recht weit auf.
Soll man Kinder im Grundschulalter (und womöglich schon vorher) ihrem Alter entsprechend an den Umgang mit neuen Medien heranführen?
Unbedingt, wenn es spielerisch und ohne leistungsgesellschaftlichen Zwang erfolgt! Das Land NRW hat hierzu bereits den “Medienpass NRW” ausgetüftelt, der den Kompetenzrahmen über alle Altersstufen von Elementar- über Primar- bis zur Sekundarstufe I absteckt. Darin finden sich dann übrigens auch die Themen “Recherchieren” und “Mediengestaltung”.
Die Forderung, schon in der Grundschule “programmieren zu lernen”, wie es derzeit durch viele Gazetten geistert, und den straffen IT-Bezug dieser Forderung halte ich aus mehreren Gründen für Humbug.
Erstens könnte man dann auch fordern, Latein und Gebärdensprache müssten ab der ersten Klasse Pflicht sein. Mit Latein würde sich das grundlegende Konzept einer Sprache (Grammatik, Konjugationen, Deklinationen etc.) besser erschließen, und die Gebärdensprache würde als mehrkanalige, rein visuelle Sprache mit lockerer Grammatik die Sprachkompetenz wesentlich erweitern; von gelebter Inklusion einmal ganz zu schweigen. Das fordert aber merkwürdigerweise niemand lautstark, obwohl z. B. Hochschulprofessoren den zunehmenden Verfall der Sprachkompetenz bei Studienanfängern beklagen.
Zweitens gibt es eine fast unüberschaubare Anzahl von Programmiersprachen (Wikipedia listet bereits eine Unmenge auf, wobei noch etliche spezialisierte Programmiersprachen aus dem Forschungsumfeld – wie z. B. Paragon – fehlen). Welche Sprache soll es denn sein? LOGO für Kids? Irgendeiner der unzähligen Basic-Dialekte? Das abstrakte Brainfuck? Und dann eher traditionell und prozedural wie PASCAL oder mehr modern und objektorientiert wie C#… von notwendigen Randbedingungen wie Code-Organisation, Bedienbarkeit und Versionierung ganz zu schweigen. Und wenn ein Kind nur kurz für selbstprogrammierte Muster zu begeistern ist, aber dann die Lust daran verliert, soll es trotzdem weiter trockenen Programmcode eintippen, weil es ja nicht “den Anschluss an die digitale Elite verlieren” soll?
Es kann also gar nicht darum gehen, das “Programmieren” zu lernen. Vielmehr geht es darum, ein Verständnis für logische Abläufe und Zusammenhänge zu entwickeln. Und das ist nicht nur im Bereich der MINT-Fächer wichtig, sondern umfassend für alle Schulfächer, z. B. Akkorde und Harmonien in der Musik, Goldener Schnitt und Collagen in der Kunst, Mannschaftsaufstellungen und Spielzüge im Sport. Darüber hinaus hilft es im täglichen Leben, wie z. B. beim Umgang mit Geld oder beim Verständnis dafür, dass bei Hackfleisch für 1,50€ je Kilo jemand jemanden über den Tisch zieht.
In der Sesamstraße gab es vor 40 Jahren schon “die Was-Passiert-Dann-Maschine“, um Ursache und Wirkung in einen kausalen Zusammenhang zu stellen. Frau Joost möchte mir jetzt nicht erzählen, dass wir heute pädagogisch nicht viel weiter sind als in den 1970ern, oder?
Drittens muss nicht jedes Kind zu programmieren lernen; genausowenig, wie jedes Kind französisch oder Handarbeiten lernen muss. Kita und Grundschule können neben der Vermittlung von grundsätzlichen Inhalten wie z. B. Schreiben, Lesen, Rechnen, Selbstsicherheit, Wertmaßstäbe und soziale Kompetenz ein spielerisches Angebot machen und schauen, ob die Kiddies darauf anspringen; also z. B. eine Was-Passiert-Dann-Maschine bauen (die heißen heute übrigens Rube-Goldberg-Maschinen und dürften auf Schulfesten der Burner sein), Hörspiele oder Videos erstellen (geht mit Open-Source für lau), oder man nimmt mal etwas Geld in die Hand und macht mit einem MakeyMakey die Welt zu einem Spielfeld…
Ans “Programmieren” kann man anschließend die Kinder führen, die sich über die schnelle Ablenkung hinaus für diese Technologien begeistern. Nur muss man ihnen dafür überhaupt erst einmal die Möglichkeiten bieten.
Ich stehe Schulen und Kindergärten gerne zur Seite, um Möglichkeiten und Beispiele für den Umgang mit neuen Medien durchzusprechen und auszuprobieren. Auch mit wenig Geld ist schon viel möglich.