“Nein, verdammt nochmal: Ich will diese Zeitung nicht kaufen!” Die Frau neben mir in der Großkölnstraße ist sichtlich genervt, weil ihr der x-te abgerissene Straßenzeitungs-Verkäufer innerhalb kurzer Zeit ein Exemplar andrehen möchte.
Das Prinzip “Straßenzeitung” funktioniert im Groben wie folgt:
Ein Selbsthilfe-Verein erstellt und druckt die Exemplare in überschaubarer Auflage. An den entsprechenden Ausgabestellen können sich interessierte Wiederverkäufer (z. B. Wohnungs- oder Arbeitslose) einen Schub Exemplare zum Weiterverkauf abholen. Vom Verkaufserlös erhalten sie die Hälfte, die andere Hälfte finanziert Druck und Vereinsarbeit.
An sich also eine lobenswerte Aktion, hilft sie doch, die durch’s Raster gefallenen Menschen ein Stück weit am “alltäglichen” Leben teilhaben zu lassen, ihr Selbstwertgefühl zu steigern und nebenbei noch etwas Geld zu verdienen. Unterstützung erfahren die Straßenzeitungen teilweise dabei auch von ungewöhnlicher Seite: Der Carlsen Verlag bot z. B. den Straßenzeitungs-Verlagen an, Auszüge des fünften Harry-Potter-Bands vorab zu drucken, um damit den Verkauf anzukurbeln. Und immer wieder bieten Künstler ihre (dann gespendeten) Werke exklusiv den Straßenzeitungen zum Weiterverkauf an.
Um die Einstiegshürden für Zeitungsverkäufer gering zu halten, ist bei einigen Straßenzeitungen meist nicht einmal die Vorlage eines Ausweises notwendig. Man geht zur Ausgabestelle, holt sich seine Exemplare ab, bezahlt einen niedrigen Betrag pro Stück und stellt sich auf die Straße, um sie für den doppelten Preis an die Passanten zu bringen.
Seit geraumer Zeit haben rumänische und bulgarische Drücker-Trupps dieses lukrative Geschäftskonzept (100% Gewinn minus unverkaufte Exemplare) für sich entdeckt: Mehr oder weniger aufdringlich laufen sie, meist in Gruppen, durch die Fußgängerzonen und halten den Passanten ihre Zeitung unter die Nase. An warmen und trockenen Tagen kann man bisweilen fünf bis sechs solcher Drücker begegnen, manchmal nur minütlich auseinander. Verständlich, dass einem da irgendwann der Geduldsfaden reißt.
Schlimm ist das in zweierlei Hinsicht:
Bedürftig ist nun mal bedürftig, egal, woher man kommt. Das im guten Glauben an die Bedürftigkeit gespendete Geld landet jedoch oft keineswegs in den Brieftaschen der Verkäufer, sondern wird umgehend an die Clan-Chefs in Rumänien und Bulgarien durchgereicht.
Und die solchermaßen unter Erfolgszwang gesetzten Drücker-Kolonnen schaden der eigentlich guten Idee nachhaltig: Sie vertreiben die etablierten Verkäufer teilweise rabiat von deren angestammten Plätzen und vergraulen die spendenwillige Kundschaft durch das teils ruppige Auftreten. Ich vermute, dass letztendlich auch die aufrichtigen Verkäufer einen schwindenen Umsatz zu spüren bekommen.
Verzeichneten die Ausgabestellen seit Aufkommen der Drücker-Kolonnen noch steigende Absatzzahlen, kämpfen einige Verlage jetzt mit Umsatzeinbrüchen. Woran genau das liegt, ist noch unklar: Evtl. spenden mehr Passanten einfach so, ohne die Zeitung zu kaufen. Oder die Zeitungsverkäufer bekommen einfach nicht mehr so viele Exemplare verkauft.
Was kann man tun?
Solange kein Geld zu geben, bis das Geschäftskonzept sich nicht mehr lohnt, ist sicher keine Lösung. Letztendlich schadet das auch den Zeitungsverkäufern, die damit ehrlich ihr schmales Budget aufzustocken versuchen.
Ich habe allerdings vor dem Aufkommen der Drücker-Kolonnen die Verkäufer von Straßenzeitungen in Aachen nur sehr vereinzelt bis gar nicht wahrgenommen. Insofern vermute ich, dass diese Masche eher weniger die Aachener Bedürftigen trifft. Wer da eine andere Erfahrung hat, der mag mich gerne korrigieren. Gleichwohl ist es in den Städten wie Düsseldorf oder Köln für die eingesessenen Verkäufer wohl tatsächlich schwieriger geworden.
Evtl. wäre es ja sinnvoll und machbar, einen eigenen Aachener Straßenanzeiger zu erstellen, der das Tagesgeschehen rund um die Städteregion veröffentlicht. Statt arbeitslose Menschen in genauso wirkungslose wie teure Maßnahmen oder fragwürdige Ein-Euro-Jobs zu zwingen, könnten Arbeitsagentur und ARGEn zusammen mit Zeitungsverlag, Kammern und karitativen Einrichtungen ein Projekt starten, das interessierte Menschen bei der Gründung einer auskömmlichen Stadtzeitungsgenossenschaft unterstützt. Und städteregionale Bedürftige könnten mit dem Verkauf dieser Zeitung seriös ihr Budget aufbessern.
Aber vermutlich stelle ich mir das alles wieder viel zu einfach vor.
(BTW: Natürlich wären auch Genossenschaften rund um den Aachener City-Service denkbar, aber das ist eine andere Geschichte.)
“Nein, verdammt nochmal: Ich will diese Zeitung nicht kaufen!” Die Frau neben mir in der Großkölnstraße ist sichtlich genervt, weil ihr der x-te abgerissene Straßenzeitungs-Verkäufer innerhalb kurzer Zeit ein Exemplar andrehen möchte.
Das Prinzip “Straßenzeitung” funktioniert im Groben wie folgt:
Ein Selbsthilfe-Verein erstellt und druckt die Exemplare in überschaubarer Auflage. An den entsprechenden Ausgabestellen können sich interessierte Wiederverkäufer (z. B. Wohnungs- oder Arbeitslose) einen Schub Exemplare zum Weiterverkauf abholen. Vom Verkaufserlös erhalten sie die Hälfte, die andere Hälfte finanziert Druck und Vereinsarbeit.
An sich also eine lobenswerte Aktion, hilft sie doch, die durch’s Raster gefallenen Menschen ein Stück weit am “alltäglichen” Leben teilhaben zu lassen, ihr Selbstwertgefühl zu steigern und nebenbei noch etwas Geld zu verdienen. Unterstützung erfahren die Straßenzeitungen teilweise dabei auch von ungewöhnlicher Seite: Der Carlsen Verlag bot z. B. den Straßenzeitungs-Verlagen an, Auszüge des fünften Harry-Potter-Bands vorab zu drucken, um damit den Verkauf anzukurbeln. Und immer wieder bieten Künstler ihre (dann gespendeten) Werke exklusiv den Straßenzeitungen zum Weiterverkauf an.
Um die Einstiegshürden für Zeitungsverkäufer gering zu halten, ist bei einigen Straßenzeitungen meist nicht einmal die Vorlage eines Ausweises notwendig. Man geht zur Ausgabestelle, holt sich seine Exemplare ab, bezahlt einen niedrigen Betrag pro Stück und stellt sich auf die Straße, um sie für den doppelten Preis an die Passanten zu bringen.
Seit geraumer Zeit haben rumänische und bulgarische Drücker-Trupps dieses lukrative Geschäftskonzept (100% Gewinn minus unverkaufte Exemplare) für sich entdeckt: Mehr oder weniger aufdringlich laufen sie, meist in Gruppen, durch die Fußgängerzonen und halten den Passanten ihre Zeitung unter die Nase. An warmen und trockenen Tagen kann man bisweilen fünf bis sechs solcher Drücker begegnen, manchmal nur minütlich auseinander. Verständlich, dass einem da irgendwann der Geduldsfaden reißt.
Schlimm ist das in zweierlei Hinsicht:
Bedürftig ist nun mal bedürftig, egal, woher man kommt. Das im guten Glauben an die Bedürftigkeit gespendete Geld landet jedoch oft keineswegs in den Brieftaschen der Verkäufer, sondern wird umgehend an die Clan-Chefs in Rumänien und Bulgarien durchgereicht.
Und die solchermaßen unter Erfolgszwang gesetzten Drücker-Kolonnen schaden der eigentlich guten Idee nachhaltig: Sie vertreiben die etablierten Verkäufer teilweise rabiat von deren angestammten Plätzen und vergraulen die spendenwillige Kundschaft durch das teils ruppige Auftreten. Ich vermute, dass letztendlich auch die aufrichtigen Verkäufer einen schwindenen Umsatz zu spüren bekommen.
Verzeichneten die Ausgabestellen seit Aufkommen der Drücker-Kolonnen noch steigende Absatzzahlen, kämpfen einige Verlage jetzt mit Umsatzeinbrüchen. Woran genau das liegt, ist noch unklar: Evtl. spenden mehr Passanten einfach so, ohne die Zeitung zu kaufen. Oder die Zeitungsverkäufer bekommen einfach nicht mehr so viele Exemplare verkauft.
Was kann man tun?
Solange kein Geld zu geben, bis das Geschäftskonzept sich nicht mehr lohnt, ist sicher keine Lösung. Letztendlich schadet das auch den Zeitungsverkäufern, die damit ehrlich ihr schmales Budget aufzustocken versuchen.
Ich habe allerdings vor dem Aufkommen der Drücker-Kolonnen die Verkäufer von Straßenzeitungen in Aachen nur sehr vereinzelt bis gar nicht wahrgenommen. Insofern vermute ich, dass diese Masche eher weniger die Aachener Bedürftigen trifft. Wer da eine andere Erfahrung hat, der mag mich gerne korrigieren. Gleichwohl ist es in den Städten wie Düsseldorf oder Köln für die eingesessenen Verkäufer wohl tatsächlich schwieriger geworden.
Evtl. wäre es ja sinnvoll und machbar, einen eigenen Aachener Straßenanzeiger zu erstellen, der das Tagesgeschehen rund um die Städteregion veröffentlicht. Statt arbeitslose Menschen in genauso wirkungslose wie teure Maßnahmen oder fragwürdige Ein-Euro-Jobs zu zwingen, könnten Arbeitsagentur und ARGEn zusammen mit Zeitungsverlag, Kammern und karitativen Einrichtungen ein Projekt starten, das interessierte Menschen bei der Gründung einer auskömmlichen Stadtzeitungsgenossenschaft unterstützt. Und städteregionale Bedürftige könnten mit dem Verkauf dieser Zeitung seriös ihr Budget aufbessern.
Aber vermutlich stelle ich mir das alles wieder viel zu einfach vor.
(BTW: Natürlich wären auch Genossenschaften rund um den Aachener City-Service denkbar, aber das ist eine andere Geschichte.)